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Forschung & Sammlung

Kohlenklau, Miese & Liese sammeln Spenden

Wie sehr die Propagandafiguren Kohlenklau, Liese und Miese in der Folklore des Dritten Reiches angelangt waren, zeigt ein Ereignis aus dem österreichischen Seegraben im Winter 1944/45. Bei der jährlichen Sammlung des Winterhilfswerks verkleideten sich die Spendensammler mit Kostümen als Kohlenklau-Figuren, als Liese und Miese, sowie als Flüsterer. Begleitet von der Bergkapelle zogen sie spendensammelnd durch die Dörfer Seegraben und Leoben, die damals noch eine stark vom Bergbau geprägte Region waren. Ein Anblick, der an heutige Narrensprünge oder Perchtenläufe erinnert haben dürfte und ein voller Erfolg nicht nur bei der begeisterten Jugend, sondern auch beim Spendensammeln für das Winterhilfswerk.


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Dieses Geschehnis war eine Nachricht wert, denn für das Winterhilfswerk wurde in jenem Jahr ganz außergewöhnlich gesammelt mit Kostümierung und einem perchtenlaufgleichen Eintreiben von Spendengeldern. Vor der Bergdirektion Seegraben versammelte sich eine Schar von Menschen, die für das deutsche Winterhilfswerk sammelten. Die Gruppe, die von der Bergkapelle musikalisch begleitet wurde und die Jugend der Städte Seegraben und Leoben um sich scharte, wurde von den beiden Propagandafiguren Miese und Liese angeführt und von einer Gruppe düsterer Kohlenklaus begleitet. Bis zum Abend war vielen nicht klar, wer sich hinter den Masken und den Sammelbechern des Winterhilfswerk verbarg. Die Werkszeitung der Österreichisch-Alpinen Montangesellschaft berichtete darüber wie folgt:

Kohlenklau sammelt für’s Winterhilfswerk (WHW)

An einem Samstag nachmittags versammelte sich vor der Bergdirektion Seegraben eine gar seltsame Schar, vor der man fast zurückschrecken konnte. Doch da winkte hoch oben freundlich lächelnd Liese’s Gesicht und ließ den Anblick von Miese, den sechs Kohlenklau’s und einem Flüsterer leich­ter ertragen. Musik gewinnt die Herzen und so verscheuchte die Bergkapelle das letzte Zaudern für die Annäherung an die sonderbaren Gestalten, die einem alle ihre Sammelbüch­sen fürs WHW entgegenhielten und von furchtlosen Jungmädeln begleitet waren. Der wunderliche Zug stattete zuerst einigen Häusern in Seegraben seinen Besuch ab, um sich dann der Stadt Leoben zuzuwenden, wo er in allen Straßen und Gassen –  besonders von der Jugend – umschwärmt wurde. Kein gebefreudiges Herz konnte der hübschen Liese wider­stehen, sowie auch die Kohlenklau’s ihr Anrecht an die Spender deutlich zu machen versuchten, während Miese einen ungleich schwereren Stand hatte. Als die so reich Beschenkten abends die vollen Büchsen leerten, zeigten sich hinter den Masken die Menschen, welche weder Mühe noch Schweiß gescheut, um in ihren wenigen Freistunden dem deutschen Winterhilfswerk einen großen Dienst zu leisten.


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Dass der Kohlenklau ausgerechnet in dieser Region Österreichs schon beinahe folkloristisch auftaucht, verwundert kaum. Seegraben ist eine Region in Österreich, die sich durch ihre lange Tradition im Bergbau auszeichnete und Kohlediebstahl ist auch in Bergwerken immer schon ein Problem gewesen. Bereits seit dem frühen 18. Jahrhundert wurde in Seegraben bereits Kohle gefördert und der Bergbau hat die Region maßgeblich geprägt. Die ursprünglich drei Reviere wurden bis 1900 in die Österreichisch-Alpine Montangesellschaft aufgenommen, in deren Werkszeitung auch der Artikel über Kohlenklau und das Winterhilfswerk erschien. Sowohl Kohlenklau als auch Liese und Miese waren Propagandafiguren, die der Unterstützung der Kriegswirtschaft durch die Bevölkerung dienen sollten, indem sie diese zum Ressourcensparen, Energiesparen, zu Spenden, Rücksichtname und Mildtätigkeit aufriefen. Besonders Kohlenklau und die Miese waren dabei Antihelden, die sich verschwenderisch und selbstsüchtig verhielten. Dies erklärt auch, warum besonders die hübsche, vorbildhafte Liese besonders viel Geld einsammeln konnte. Insgesamt erinnert der verkleidete Umzug stark an das Narrentreiben der Fastnacht oder die Perchtenläufe, die bei den Nationalsozialisten gar nicht gern gesehen waren. Die Werte und der Zweck für den die Sammelnden einstanden, stand hingegen genau im Sinne der Nazis, die wenige Monate vor der Niederlage standen. Die Westalliierten hatten längst die Luftherrschaft übernommen und überzogen Deutschland und Österreich mit Bombardements. Die Montangesellschaft hatte daher auch kurz zuvor einen Luftschutzstollen fertig gestellt, der bis zu 2.500 Menschen Zuflucht bieten konnte. Heute gibt es den Bergbau in Seegraben nicht mehr. Die Zentralförderanlage, der Zahlbruckner Schacht, ein von weitem sichtbares Wahrzeichen der Stadt, wurde am 27. August 1964 gesprengt, nachdem die Kohleflöze erschöpft waren.

Das Winterhilfswerk (WHW) war eine Organisation in Deutschland, die sich von 1933 bis 1945 der Hilfe für bedürftige Menschen im Winter verschrieben hatte. Es wurde von der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), einer Organisation innerhalb der Nazi-Partei, gegründet und war somit auch Teil der nationalsozialistischen Propaganda. Das WHW hatte das Ziel, Spenden zu sammeln, die für die Versorgung von Menschen in Not verwendet wurden, insbesondere für die Bereitstellung von warmen Mahlzeiten, Kleidung und Unterkünften. Während der Wintermonate führte das WHW viele Straßensammlungen durch, bei denen Freiwillige in vielen Städten Deutschlands Spenden sammelten. Es war eine wichtige Einrichtung, die dazu beitrug, dass während der kalten Jahreszeit niemand in Deutschland hungern musste. Allerdings war das WHW auch ein wichtiges Instrument zur Stärkung der nationalsozialistischen Propaganda und Ideologie, da es als Symbol für die angebliche Fürsorge und Solidarität innerhalb der Nazi-Gesellschaft diente. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das WHW aufgelöst.


„Kohlenklau“-Übersicht | Liese und Miese


Quellen und weiterführende Literatur

  • Eigene Sammlung und Recherchen
  • „Kohlenklau sammelt für’s WHW“, in: „Werkszeitung der Österreichisch-Alpinen Montangesellschaft“, Heft 1/1945, S. 17

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