Feuersalamander gehören in vielen Regionen zu einer bedrohten Spezies. Wieso aber sollte man gerade „Lurchi„, den Titelheld seiner Abenteuerhefte und Anführer der Werbefiguren des Schuhherstellers Salamander auf einer Liste der bedrohten Wörter finden? Hat dies womöglich mit der umgangssprachlichen Bezeichnung für antriebslose Menschen zu tun? Oder geht es um das langsame Verschwinden der beliebten Werbefigur aus dem kollektiven Gedächtnis? Dass Lurchi sich seit 2006 im „Lexikon der bedrohten Wörter“ von Bodo Mrozek findet, hat ganz andere Gründe, als man es vielleicht annehmen könnte. Vor allem ist seine Namensnennung dem Zusammenhang mit einem anderen aussterbenden Wort zu verdanken, der Reklame, die zunehmend von der Werbung in den Hintergrund gedrängt wird.
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Begriffsdefinition Lurchi
Lurchi, der/ein [m]
[1] Ein Feuersalamander, der eine Comicfigur ist und vom deutschen Schuhhersteller Salamander zu Werbezwecken verwendet wird.
[2] Eine eher antriebslos wirkende Person.
[3] Eine Variante von Lurch, ein Wort für ein Wirbeltier ohne Knochen oder mit Knorpelknochen.
Diese Wörterbuch-Definition gibt das neue Bing, die KI-gestützte Internetsuche von Microsoft heraus, wenn man sie nach Lurchi fragt und führt dann weiter aus: „Lurchi ist die Werbecomicfigur der deutschen Salamander-Schuhfabriken. Er ist ein Feuersalamander, der viele Abenteuer erlebt und mit seinen Freunden gegen Verbrecher kämpft. Die Geschichten von Lurchi werden in kleinen Heften mit dem Titel “Lurchis Abenteuer” erzählt. Die Hefte sind für Kinder im Grundschulalter konzipiert und seit 1937 erhältlich. Lurchi hat eine große Fangemeinde älterer Leser, die ihn als Kultcharakter sehen.“ – Geht es im Lexikon der bedrohten Wörter von Mrozek aber überhaupt um das Wort „Lurchi“, das mit der sinkenden Bekanntheit des großen deutschen Werbehelden tatsächlich zunehmend in Vergessenheit gerät? Leider nicht, obwohl man den beliebten Feuersalamander durchaus mit aufnehmen dürfte! Lurchi bekommt als Werbeheld unserer Kindheit jedoch eine ehrenvolle Erwähnung im Lexikoneintrag zum veralteten Begriff „Reklame“.
Die „Reklame“ stirbt aus!
Bei Mrozek geht es darum, dass bestimmte Wörter zunehmend im Sprachgebrauch verdrängt werden. Tatsächlich sind die einstigen Reklamespezialisten heute Werbeexperten und mit Reklame verbindet man die Anfänge der Werbung vor allem im Print. Nach Mrozek ist die Reklame dabei ein Begriff, der eine Welt beschrieb, in der Produkte nicht nur eine Funktion hatten, sondern auch ein Erlebnis boten. Dazu, dass sie selbst langweilige und lästige Dinge wie Hausputz, Fertignahrung, Schuhkauf oder Spinat zum Erlebnis machte, trugen seiner Meinung nach vor allem die Reklamehelden unserer Kindheit bei: Clementine, der Hustinettenbär, Meister Proper und Lurchi, der Salamander der gleichnamigen Schuhfirma. Die Gründe, weshalb Werbung die Reklame ablöst, lässt Mrozek offen. Ihm ist nicht klar, warum dieser Begriff als besser angesehen wird.
Man kann dem Autor hier entgegnen, dass Werbung und Reklame heutzutage eben nicht mehr synonym verwendet werden, wenngleich der Radiosender 1Live 2005 versuchte, den Begriff „Reklame“ wieder einzuführen. Nach Ende der 1930er Jahre soll es zum begrifflichen Schisma gekommen sein, das in den 1950er Jahren auch in den Werbe- und Kommunikationsagenturen übernommen wurde. Kommunikationsforscher Hans Domizlaff vergleicht die Reklame mit einem Marktschreier und die Werbung mit dem Kaufmann. Während Reklame laut und direkt wirke, sei Werbung leise und subtiler (zitiert nach Bolten 2005). Ob man dem folgen mag oder nicht, sei jedem selbst überlassen. Lurchi und den Hustinettenbär dürfte es letztendlich nicht stören, ob sie nun Reklamehelden oder Werbehelden sind, solange sie nicht selbst auf der Liste bedrohter Werbefiguren landen.
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Das (große) Lexikon der bedrohten Wörter
Das große Lexikon der bedrohten Wörter aus dem Rowohlt Verlag ist ein Werk, das sich mit dem zunehmenden Vergessen von Wörtern und ihrem Verschwinden aus dem Wortschatz befasst. Sprache ist ein lebendiges Medium, das sich ständig weiterentwickelt und sich dabei von technischem und gesellschaftlichem Fortschritt, neuer Jugendsprache, Adaptionen aus anderen Sprachen wie dem Englischen sowie Modewörtern und Neologismen beeinflussen lässt. Der Duden, das Standardwerk für die deutsche Sprache, zählte im Jahr 1880 noch etwa 27.000 Wörter, doch inzwischen ist der Wortschatz auf über 125.000 Wörter angewachsen.
Allerdings gibt es auch viele Wörter, die aus dem Wortschatz verschwinden und nicht mehr in Gebrauch sind. Über diese aussterbenden Wörter gibt es nur wenige öffentliche Statistiken, was es für Sprachforscher schwierig macht, zu untersuchen, was mit diesen Wörtern passiert. Die Gründe für das Verschwinden von Wörtern können vielfältig sein. Manche Wörter sind einfach nicht mehr zeitgemäß und passen nicht mehr in die heutige Gesellschaft, andere werden durch Neuschöpfungen oder Fremdwörter ersetzt, während wiederum andere Wörter von regionalen Dialekten und Sprachen verdrängt werden.
Bodo Mrozek hat diese Wörter gesammelt und in seinem Lexikon zusammengestellt. Neben der Reklame finden sich dort auch Wörter wie Abtritt, Achtgroschen-Junge, Adenauer-Hut, Bambule, Anorak, Beckmesserei, Brummi, Fuchtel, Jutebeutel, Kaufhalle, Klitsch, Larifari, Laufpass, Mauerspecht, Nasenfahrrad, Oheim, Ölgötze, Penunzen, Schabernack, Schwagerehe, Spekulant, Strauchdieb, Telespiel, Tschüssikowski, Verkehrssignalgeber, der Yps-Club oder die Zeche. Das Buch von Bodo Mrozek ist in zwei Bänden unter dem Titel „Lexikon der bedrohten Wörter“ erschienen, wobei sich das Wort „Reklame“ im ersten Band findet. In einer Sonderausgabe von 2008 wurden die beiden Bände aus den Jahren 2005 und 2006 noch einmal als „Das große Lexikon der bedrohten Wörter“ zusammengefasst.
Über Bodo Mrozek
Bodo Mrozek ist ein deutscher Historiker und Autor, der 1968 in Berlin geboren wurde. Er studierte Geschichte, Neuere Deutsche Literatur und Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin sowie European Studies an der Universität Amsterdam. Er ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Berliner Kolleg Kalter Krieg des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin und war unter anderem Mitarbeiter der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Mrozek hat neben seinem Lexikon der bedrohten Wörter mehrere Bücher und Artikel über Jugendkultur, Popmusik und den Kalten Krieg veröffentlicht. Sein bekanntestes Werk ist “Jugend – Pop – Kultur: Eine transnationale Geschichte” (2019), das mit dem IASPM Book Prize 2021 ausgezeichnet wurde.
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Quellen und weiterführende Literatur
- Bodo Mrozek: „Lexikon der bedrohten Wörter“ (2005), Rowohlt-Verlag (Rheinbeck bei Hamburg), 219 Seiten, hier S. 160-161
- Bodo Mrozek: „Lexikon der bedrohten Wörter. Band II“ (2006), Rowohlt-Verlag (Rheinbeck bei Hamburg), 192 Seiten
- Bodo Mrozek: „Das große Lexikon der bedrohten Wörter. Band I + II“ (2008), Rowohlt-Verlag (Rheinbeck bei Hamburg), 383 Seiten, hier S. 276
- Bing-Suche mit ChatGPT zum Begriff Lurchi (Antwort unter Referenzierung der Quellen: Wikipedia, Mundmische.de, Amazon.de und Duden.de).
- Götz Bolten: „Gibt es einen Unterschied zwischen Werbung und Reklame?“, Erstveröffentlichung 2005, als Online-Artikel bei Planet-Wissen in der Version vom 05.12.2018, abgerufen am 04.03.2023
Lange schallt’s im Walde noch:
Salamander lebe hoch!
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© Alle Abbildungen sind, soweit nicht anders gekennzeichnet, eigene Fotografien. Das Urheberrecht an der Gestaltung der abgebildeten Objekte liegt bei ihren jeweiligen Illustrator:innen und Produktgestalter:innen, die nach Möglichkeit und bester Kenntnis genannt werden. „Salamander“ und „Lurchi“ sind lange eingetragene Warenzeichen der Salamander AG und Salamander GmbH gewesen. Das Copyright der Illustrationen liegt bei Salamander, bzw. hinsichtlich der Lurchi-Bücher beim Esslinger Verlag. Lurchi ist seit 2023 eine Marke von Supremo.
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