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Das Pedoskop: Röntgenstrahlen beim Schuhkauf

Wer aufmerksam alte Romane oder Biografien liest, stößt dabei gelegentlich auf ein besonderes Kuriosum der Schuhverkaufsgeschichte. Mit Schuh-Röntgenapparaten, den Fuß-Fluoroskopen oder Pedoskopen war es teils bis in die 1970er Jahre in vielen Schuhgeschäften möglich, sich die Knochen des eigenen Fußes und den passenden Sitz des Schuhs anzuschauen. Obwohl die Geräte 1949 aufgrund der Strahlenbelastung als gefährlich eingestuft worden waren, hielten sie sich dank cleveren Marketings und wenig aufgeklärter Konsumenten Jahrzehnte im Schuhhandel und waren sogar ein Merkmal für das gehobene Schuhgerschäft. So tauchten die Kindermagneten und Gesundheitsfährder unter anderem auch bei der Marke Salamander auf und viele Kinder der Zeit erinnern sich nicht nur an Lurchi-Hefte und Rutschen sondern auch an die als Science-Fiction anmutenden Schaugeräte.


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Bis in die 70er Jahre wurden Füße beim Schuhkauf geröntgt

Alte Reklame mit Abbildung eines Pedoskops

Die Szene spielt in einer bundesdeutschen Innenstadt in den 1950er Jahren: Frau Schmidt und ihr Sohn Max sind in der Stadt zum Einkaufen und betreten den Salamander-Schuhladen, um neue Kinderschuhe zu kaufen. Der Junge wächst viel zu schnell aus seinen alten Schuhen hinaus und das ein oder andere Paar leidet auch unter Mäxchens wildem Spiel im Park, wenn er auf die Bäume klettert. Weniger die Schuhe als das Erlebnis des Kaufes ist es aber, was das Kind begeistert. Die Salamander-Schuhen gefallen ihm besonders gut, weil es hier im Laden immer die neuesten Lurchi-Abenteuer zu lesen gibt und dort ein Gerät steht. Noch während sie sich im Laden umsehen, bekommt Max ein Werbecomic von Lurchi zum Ansehen. Er setzt sich auf den Boden und beginnt, die Geschichte zu lesen. Seine Mutter nutzt die Gelegenheit, um ihm schöne Schuhe herauszusuchen. Als sie passendes Schuhwerk gefunden hat, hat Max keine Lust, die Schuhe auch anzuprobieren. Das Pedoskop aber, kennt und liebt er. Dort stellt er seine Füße rein und wird sofort durchleuchtet. Gemeinsam betrachteten Max, Mutter und Verkäufer das Bild, das auf dem Bildschirm des Geräts angezeigt wird.

So oder so ähnlich könnte sich eine Szene im Salamandergeschäft abgespielt haben. Mit Fußröntgengeräten, die als besonders schick und als Prestige hochwertiger Schuhgeschäfte galten, wurden auch in Deutschland bis in die 1970er Jahre hinein Kinderfüße durchleuchtet. So konnte man sehen, wie gut der Schuh passte, wie viel Spielraum übrig blieb und ob es irgendwelche Probleme geben könnte, die beim Tragen des Schuhs auftreten würden. An die gesundheitlichen Risiken dachten damals die wenigsten, obwohl die Schädlichkeit von Röntgenstrahlung bereits bekannt war. Schuhkäufe wie diesen  mit Lurchi und Salamander-Röntgenapparat beschreibt auch die in Essen aufgewachsene Schriftstellerin Elke Heidenreich in ihrem Buch „Alles kein Zufall“. Und weil das Röntgen so viel Spaß machte, kamen bei ihr auch Teddys und Puppen in den als Pedoskop bekannten Strahlenapparat.

Die Geschichte des Pedoskops

Pedoskope, auch Schuh-Fluoroskope genannt, waren Röntgengeräte, die zur Überprüfung der Passform von Schuhen verwendet wurden. Sie wurden um 1920 herum unabhängig voneinander in den USA und in Großbritannien entwickelt. Eine frühe Patentanmeldung für ein Pedoskop wurde im Jahr 1919 eingereicht und im Jahr 1920 wurde ein Schuh-Fluoroskop auf einer Messe für Schuhhändler in Boston vorgestellt. Der amerikanische Arzt Jacob Lowe hat das Pedoskop patentieren lassen und an die Adrian X-Ray Company verkauft, die es unter dem Namen „Foot-O-Scope“ vermarktete. Bereits zu Beginn der Entwicklung kamen auch mobile Röntgenapparate in Mode, die man auf Partys verwendete, um sich und andere damit als Party-Gag zu fotografieren.

Die für das Gerät später namensgebende Pedoscope Company in Großbritannien hatte ebenfalls einen ähnlichen Apparat patentiert und vertrieb diesen unter dem Handelsnamen „Pedoscope“. Der Schweizer Schuhhersteller Bally vertrieb die Geräte in Kontinentaleuropa. Bis in die 1950er Jahre wurden in den USA, Großbritannien, Kanada und in der Schweiz und Süddeutschland zahlreiche Pedoskope verkauft. Weltweit waren dies zehntausende Stück, alleine in der Schweiz und Süddeutschland 1.500, darunter auch in Schuhgeschäften der Marke Salamander. Der Umgang mit den Röntgenstrahlen war anfangs noch sehr unbedacht.

Schuhladen mit Pedoskop (rechts im Bild, Ansichtskarte, gelaufen 1957)

Die Pedoskope wurden in Schuhgeschäften eingesetzt und ermöglichten es Verkäufern, Kunden beim Anprobieren von Schuhen die Passform genau zu überprüfen. Sie ermöglichten es Verkäufern, Kunden beim Anprobieren von Schuhen die Passform genau zu überprüfen und sicherzustellen, dass die Schuhe perfekt passen. Dies war insbesondere für Eltern von Kindern wichtig, die sicherstellen wollten, dass die Schuhe keine Probleme beim Tragen verursachen würden. Gerade Babys und Kleinkinder können aber noch nicht mitteilen, ob und wo der Schuh drückt. Durch drei Okulare konnten Kinder, Eltern und Verkäufer gemeinsam auf das Röntgenbild von Fuß und Schuh schauen. Hersteller von Fuß-Fluoroskopen warben dabei offen mit deren werblicher Wirkung und stellten die Geräte als besondere Attraktion und Kundenmagneten dar, die dazu beitragen würde, den Laden und die Kasse zu füllen. Gerade bei Kindern waren die durchleuchtenden Apparate äußerst beliebt, was zu Schlangen an den Pedoskopen und ausgiebigem röntgen von Füßen und anderen Gegenständen bei gleichzeitiger Strahlenabgabe an alle Umstehenden führte.

Allerdings birgt der Einsatz von Röntgenstrahlung bedenkliche gesundheitliche Risiken. Heute ist bekannt, dass die Strahlenbelastung durch ein Pedoskop bis zum 20-fachen einer modernen Thorax-Aufnahme reichen konnte. Schon sehr früh nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen waren die gesundheitlichen Gefahren bekannt und der Einsatz von Pedoskopen wurde in Fachkreisen kritisiert. Mitarbeiter, die lange Zeit in Schuhgeschäften mit Pedoskopen arbeiteten, waren besonders gefährdet. Auch Kundinnen und Kunden, die das Gerät zu oft nutzten, waren erhöhten Risiken ausgesetzt, wobei der rein gelegentliche Einsatz noch nicht gleich ein signifikant gestiegenes Gesundheitsrisiko begründen musste. Trotz der Risiken und der Einführung sicherer Alternativen wurden Pedoskope in manchen Ländern bis in die 1980er Jahre in Schuhgeschäften eingesetzt. Die USA verboten die Pedoskope bereits 1950. In Deutschland waren die Geräte noch bis in die 1960er weit verbreitet und wurden erst Anfang der 1970er Jahre komplett aus dem Schuhhandel verbannt. Heutzutage werden Pedoskope nicht mehr verwendet und es gibt sichere Alternativen, um die Passform von Schuhen zu überprüfen.

Moderne Fluoroskope werden allenfalls noch bei der Überprüfung von Gepäckstücken an Flughäfen eingesetzt. Der Einsatz von Röntgenstrahlung zu anderen Zwecken ist heute stark reguliert und wird nur in medizinischen Einrichtungen und anderen kontrollierten Umgebungen unter der Aufsicht von Fachpersonal verwendet. Die Risiken für die Gesundheit werden sorgfältig abgewogen und es werden Schutzmaßnahmen ergriffen, um die Exposition gegenüber Röntgenstrahlung so gering wie möglich zu halten.


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Quellen und weiterführende Literatur

  • Eigene Sammlung und Recherchen
  • Elke Heidenreich: „Alles kein Zufall. Kurze Geschichten.“ (2016), Hanser-Verlag (München), 240 Seiten, Kapitel „Lurchi“
  • Shoepassion GmbH: „Fluoroskop: Schön verstrahlt, aber passgenau“, Online-Artikel im Shoepassion Journal, angerufen am 09.12.2022

Lange schallt’s im Walde noch:
Salamander lebe hoch!


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