Collection Heroes

Forschung & Sammlung

Lurchi-Sau aus der Tettnanger Hopfensau-Parade

Ein besonderes und öffentlich zugängliches Lurchi-Kunstwerk steht in der baden-würtembergischen Stadt Tettnang. In dem bekannten Hopfenanbaugebiet fand 2006 die sogenannte Tettnanger Hopfensauparade statt, an der über 80 Künstlerinnen und Künstler teilnahmen. In Zusammenarbeit der Stadt Tettnang mit dem Hopfenpflanzerverband und dem Hopfenmuseum bevölkerten die Kunstschaffenden zunächst den Hopfenpfad und dann das Stadtbild mit lebensgroßen, individuell gestalteten Hopfensäuen aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Elisabeth Aich schuf für das Schuhhaus Jung eine Lurchi-Sau mit Salamander-Muster und -Schuhen. Anlass für die Kunstaktion war der fünfte Tettnanger Hopfenwandertag.


Lurchi-Übersicht | Lurchi Figuren | Lurchi Hörspiele


Die Kunstaktion griff das Konzept der Tierparade auf, welches beispielsweise mit den Buddy Bären in Berlin, den Löwen in Leipzig oder München, der Elefantenparade in Hannover bekannt ist und ursprünglich auf die Zürcher-Kuh-Kultur von 1998 zurückgeht. Die Rohlinge der Hopfensäue waren rund 30 Kilogramm schwer und bestanden aus witterungsbeständigem glasfaserverstärktem Kunststoff. Neben Künstler:innen und Geschäftsinhaber:innen wurden sie auch von Schüler:innen der Region bemalt. Ziel war es, das Stadtbild aufzuwerten, Werbung für die ansässigen Geschäfte zu machen und touristisch für die Region zu werben, die zu den bekanntesten Hopfenanbaugebieten gehört. Unterstützt wurde außerdem ein karitatives Projekt in Brasilien: Rosaria Oeste.

Die Lurchi-Hopfensau

„Lange schallt’s im Walde noch… Lurchi Sau!“ Auf die Idee, eine Hopfensau nach dem Vorbild Lurchis zu schaffen kam die Künstlerin Elisabeth Aich, die zugleich Inhaberin des Schuhhauses Jung in Tettnang war und ist. Die Sau als eine von etwa 80 Exponaten der Stadt hat damit einen direkten Bezug zur Geschäftswelt und orientiert sich stark am Äußeren Lurchis, welches man noch aus den Zeiten vor dem Markenrelaunch 2000 kannte. Mit Salamander-Flecken, rotem Mund und Original-Salamander-Schuhen repräsentiert die Lurchi-Sau das Salamander-Schuhhaus in Tettnang, das sogar auf eine längere Tradition als die Marken Salamander oder Lurchi zurückschaut und als Sponsor der Kunstsau auftritt. Das Begleitbuch zur Kunstaktion bedauert gar, dass es den Lurchi in dieser Form nicht mehr gibt. Bemalt wurde Lurchi mit Acrylfarben nach dem Vorbild des berühmten Feuersalamanders.

Die Bearbeitung der Sau erschien der Schuhhaus-Inhaberin mit dem besonderen Bezug zu Lurchi sehr unterhaltsam. Das mag daran gelegen haben, dass sie sich mit der Geschäftsinhaberin Susanne Abt zusammengetan hatte, welche ihrerseits eine Hopfensau für die Firma Buntes kreierte. Gemeinsam richteten die beiden Frauen ein Atelier in einer Garage in der Radgasse direkt hinter dem Schuhhaus ein, wo sie die Sommerabende mit ihren Kreationen verbrachten. Die Lurchi-Sau wurde zunächst mit den anderen Säuen am Hopfenpfad dem interessierten Publikum präsentiert und anschließend innerhalb des Stadtbildes direkt beim Schuhhaus Jung in der Karlstraße 24-26 in Tettnang verortet. Der Standort hat dabei schon immer eine historisch enge Verbindung mit Lurchi, denn in den 1970er Jahren befand sich direkt gegenüber das Kinder-Schuhhaus „Lurchiland“. Lurchis Schwestersau aus der Garage ist die Hopfensau „Dorfdiva Tettnang“, ein mit Blüten, Blumen, Perlen und Strasssteinen geschmücktes Schwein.

Sammelobjekte zur Lurchi-Hopfensau

Das Tourismusbüro Tettnang hat verschiedene Artikel herausgegeben, die sich rund um die Hopfensauparade von 2006 bzw. die seitdem im Stadtbild befindlichen Hopfensäue drehen. Dazu gehört eine Postkarte, die verschiedene Säue, darunter auch die Lurchi-Sau zeigt. Der besondere Stolz der Tettnanger aber ist ein Buch, das anlässlich der Kunstaktion im November 2007 erschienen ist und die Hopfensäue der Stadt einzeln vorstellt, ihre Entstehungsgeschichten und Hintergründe beleuchtet. So erfährt man, dass das Schuhhaus Jung in weit über 100jähriger Tradition steht und dass nicht nur Startups in Garagen entstehen, sondern auch Geschäftsinhaberinnen dort gerne mal die Sau rauslassen. Neben der Lurchi-Sau werden noch rund 80 weitere Hopfensäue betrachtet und vorgestellt, darunter Obelix, die Indische Hochzeitssau, die BauSau und viele mehr. Selbstverständlich ist dort auch die Stadtdiva zu sehen, mit der Lurchi seine Abende in der Garage verbrachte. Buch und Postkarte tauchen nur selten auf dem Sammlermarkt auf, obwohl sie durchaus einen Platz in jeder Lurchi- oder Salamander-Sammlung oder auch im Repertoire so manches Kunstfreundes haben sollten. Die Ausgabepreise der Sammlerartikel liegen bei 9,90 Euro für das Kunstbuch und 0,80 Euro für die Postkarte.

Die Tradition der Hopfensau

Hopfenranken

Die Hopfensau-Parade ist für die Tettnanger eine selbstironische Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition.  Die Residenzstadt Tettnang ist das südlichste Hopfenanbaugebiet Deutschlands und für seine einzigartige Landschaft zwischen Bodenseeufer und Allgäu sowie für den Geschmack seines „Premium-Aromahopfens“ gleichermaßen bekannt. Auf rund 1480 Hektar in einem 20 Kilometer Radius um die Stadt Tettnang wurden 2020 etwa 7 Prozent des in Deutschland und 2,4 Prozent des weltweit angeboten Hopfens produziert. Der Hopfen aus Tettnang wird weltweit zum Bierbrauchen verwendet. Angebaut werden vor allem regionale Landsorten wie der „Tettnanger“.

Mit dem Begriff der „Hopfensau“ wird an einen Brauch zu Zeiten der Handernte bis in die 1950er Jahre erinnert. Die Hopfenpflückerin, welche in einem Betrieb die letzte Hopfenranke abpflückte, wurde mit diesem Ehrentitel bedacht. Die „Hopfensau“ wurde mit Glückwünschen, Geschenken und zum Teil auch mit derben Späßen auf ihre Kosten geehrt. Unversehens konnte eine Hopfenpflückerin, welche die letzte Ranke aberntete mit Jubelschreien wie „Hoch lebe unsere Hopfensau! Die Hofensau lebe hoch!“ – und wer denkt hier nich an den allseits bekannten Lurchispruch „Salamander lebe hoch!“? – durch das Dorf getragen werden.Auf dem Kopf gekrönt mit einem Hopfenkranz. Die Erntemannschaft zog als Hofstaat hinterher. Hopfensäue waren dabei beliebte Opfer von Bubenstreichen aller Art, landete im Mistkarren oder sogar im Schweinestall. Ihr stand allerdings auch die Restverwertung des Hofes zu. Alle nicht vollständig gefüllten Körbe der anderen Ernterinnen wurden der Hopfensau geschenkt und halfen dabei, den Lohn erheblich aufzustocken. Die Abende endeten oft mit Tanz und Hopfenschmaus.

Tettnanger Hopfennarr mit Roter Spinne

In den 1950er Jahren ging die Handarbeit bei der Hopfenernte zusehends zurück und Pflückmaschinen hielten Einzug in die Region. Die Hopfensau verschwand vom Feld und fand sich seither in der Schwäbisch-Alemanischen Fasnet wieder. Der Brauch der Fasnet entstand in Tettnang in den 1830er Jahren. Die Narrenzunft „Narrhalla“ (heute: „Narrenzunft Tettnang“) organisierte zum Ende des Jahrhunderts den ersten Umzug. In den Zwischenkriegsjahren zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg entstand die Figur des Hopfennarren, der 1937 erstmals als Einzelkostüm auftrat. Seit 1952 führt er die mittlerweile aus 20 Fastnachtsgestalten bestehende Narrengruppe an, trägt ein mit Hopfen und Blättern bemaltes Häs mit Glöckchen, sowie eine Holzmaske und einen Holzstab mit Schellenkranz. Seit 1954 gehört auch die Figur der Hopfensau zum Umzug und wird vom Hopfennarren gezogen. Sie trägt eine Saumaske und ein Kostüm aus Hose, Jacke und Maskentuch, ist mit Hopfenblättern und -ranken verziert. Seit 1959 gibt es die rote Spinne als Schädling der Hopfenernte im Narrentreiben. Gätterlet und Gickeler sowie weitere Narren runden die Gruppe ab.


Zur Lurchi-Übersicht | Literatur über Lurchi | Lurchi Spielsachen


Quellen und weiterführende Literatur

    • Eigene Sammlung und Recherchen
    • Tourist-InfoBüro TIB Tettnang (Hrsg): „Tettnanger Hopfensauparade: Über 80 Kunstobjekte aus Tettnang“ (2007), Bodensee Medienzentrum (Tettnang), hier speziell: „Lurchi-Sau: Lange schallt’s im Walde noch…“, S. 50, und „Dorfdiva Tattnang“, S. 29
    • Bildnachweis: Abbildung der Lurchi-Sau: ANKAWÜ, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons, eigene Bearbeitung (Freistellung), andere Abbildungen: Pixabay
    • Hopfengut No 20: „Hopfensau sie lebe hoch!“, Artikel auf der Website, abgerufen am 25.10.2022

Lange schallt’s im Walde noch:
Salamander lebe hoch!


Collection Heroes ist eine redaktionelle Seite, die sich mit eigener Sammlung und Forschung beschäftigt und zugleich eine Anleitung für andere Sammler und Forscher gibt. Alle Texte auf dieser Seite sind selbst recherchierte und verfasste Texte. Irrtümer und Änderungen vorbehalten. 

© Alle Abbildungen sind, soweit nicht anders gekennzeichnet, eigene Fotografien. Das Urheberrecht an der Gestaltung der abgebildeten Objekte liegt bei ihren jeweiligen Illustratoren und Produktgestaltern, die nach Möglichkeit und bester Kenntnis genannt werden. „Salamander“ und „Lurchi“ sind lange eingetragene Warenzeichen der Salamander AG und Salamander GmbH gewesen. Das Copyright der Illustrationen liegt bei Salamander, bzw. hinsichtlich der Lurchi-Bücher beim Esslinger Verlag. Lurchi ist seit 2023 eine Marke von Supremo. 

Kauf-, Tausch- oder Verkaufsanfrage zu einem der Objekte stellen.

Collection Heroes nimmt am Amazon und am ebay Partnerprogramm teil. Für qualifizierte Verkäufe erhält der Betreiber dieser Seite eine Provision, welche jedoch keinen Einfluss auf die redaktionelle Berichterstattung hat.