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Lurchi, Klementine & Co (Wolfgang Hars)

Es gibt im Zusammenhang mit Lurchi in Lexika zu Werbehelden kaum ein Buch, das häufiger referenziert wird als „Lurchi, Klementine & Co: Unsere Werbehelden und ihre Geschichte“ von Wolfgang Hars. Der Autor hat den Feuersalamander aus Kornwestheim, der seit 1936 für Schuhe wirbt, allerdings auch direkt mit in den Titel geschrieben. Ist diese Anerkennung seiner Bedeutung für das bundesdeutsche Nationalbewusstsein also das, was einer Biografie Lurchis am nächsten kommt? Das Buch von Hars ist vor allem eins: Ein Nachschlagewerk zu Konsumhelden und Werbefiguren der Jahrzehnte des Fernsehens und der Printwerbung. Insgesamt hat der Autor rund 120 Figuren und deren Anekdoten aufgespürt, inklusive derer, die nicht Jedermann bekannt sind. Das Lexikon erschien 2000 als Hardcover im Argon Verlag und ein Jahr später als Taschenbuch-Lizenzausgabe im Fischer Verlag.


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Hardcover (Argon Verlag 2000)

Hardcover (Argon Verlag 2000)

Unter dem Titel „Lurchi – Liebling aller Kinder“ beschreibt Hars in seinem Lexikon, wie Millionen von Kindern den mit Schuhen und Hut bekleideten Salamander kennen, „Lurchis Abenteuer“ zum am längsten durchgängig erscheinenden Werbeheft mit einer Gesamtauflage von über 300 Millionen Heften wurden und die Einzelauflagen selbst Verkaufsschlager wie Micky Maus ausstachen. Der Autor nimmt sich erfreulich viel Zeit und Platz in seinem Buch zur Beschäftigung mit dem beliebten Lurch aus Kornwestheim.

Hars beleuchtet den Heftumfang, das Reimformat, wiederkehrende Motive, beliebte Heftinhalte mit aktuellen Bezügen und die Mitglieder von Lurchis Freundeskreis, zu dem zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht die Fee Emily gehörte. Etwas merkwürdig und bezuglos muten Ausflüge in die Kulturgeschichte an, wenn Hars den Feuersalamander als das „heilige Tier der Freimaurer“ (gemeint ist eventuell eher das studentische Trinkritual), das „mythische Sinnbild für Gerechtigkeit“ (ohne Beleg) oder „Dämon, der im Feuer lebt“ (Salamander als einer der vier Elementargeister nach Paracelsus) bezeichnet. Für Hars ist Lurchi das „menschenähnliche Reptil mit Mut und Witz“. Salamander sind allerdings Amphibien und keine Reptilien. Einer von mehreren Flüchtigkeitsfehlern im Lexikoneintrag.

Hars geht in seinem Artikel auf Lurchis Entstehungsgeschichte ein, die 1936 beginnt. Hier datiert er besser als viele andere Quellen, die Lurchis Geburtsstunde oft fälschlich mit dem Jahr 1937 angegeben, obwohl es Hinweise auf eine Veröffentlichung des ersten Heftes bereits im Jahr 1936 gibt, sowie die Möglichkeit, dass Lurchi noch ohne Namen als Figur bereits 1935 oder früher bestand. Die Ära Schubel und die Ära Doblies werden korrekt datiert, ohne jedoch auf die dazwischenliegenden Zeichner und den genau im Jahr der Veröffentlichung vollzogenen optischen und inhaltlichen Relaunch der Figuren einzugehen. Diese Aktualisierung wird auch nicht in den späteren Taschenbuchauflagen des Fischerverlags aufgegriffen, die in den Jahren 2001 und 2002 als reine Nachdrucke erschienen. Hars bemerkt treffend, dass Schubels Stil besonders – Hars nennt es „eigenwillig“ – war, da Lurchi zwar im Serien-Charakter der Hefte dem Comic-Genre entsprach, Zeichenstil und Versmaß sich jedoch eher an Bilderbüchern wie denen von Wilhelm Busch orientierten. Dieser Abschnitt ist im großen und Ganzen gut und ausführlich beschrieben und mit Versbeispielen garniert, die nostalgische Erinnerungen an die alten Lurchihefte hervorrufen.

Frühes Salamander-Logo (1903)

Mit der Gründungs- und Markengeschichte von Salamander, so wie sie von Hars dargestellt wird, muss man nicht ganz einverstanden sein. Rudolf Moos meldete 1904 keineswegs eine Marke an, die Lurchi in einem Ring zeigt. Die später populäre Markendarstellung wurde erst 1907 durch August Endell entwickelt. Hier liegt Hars also falsch. Auch wurde die Marke Salamander ursprünglich nicht für Schuhe sondern für Schuhcreme entwickelt. Richtig ist allerdings, dass der findige Geschäftsmann Moos in der Sigle Schuhfabrik in Kornwestheim einen Produktionspartner für günstige und zugleich hochwertige Stiefel und Schuhe fand. Der Einheitspreis entsprach jedoch nicht wie von Hars beschrieben „12,80 DM“, die es erst nach dem Zweiten Weltkrieg gab, sondern „12,50 Mark„, der Währung im Kaiserreich. Nicht nur Währung, sondern auch der Betrag sind also falsch wiedergegeben. Dies ist ein weiterer Flüchtigkeitsfehler. Erste Gehversuche des Salamanders aus dem Logo, der damals noch nicht „Lurchi“ war, gab es in den Zeitungsreklamen des Jahres 1909.

Taschenbuch (Fischer Verlag 2001 & 2002)

Insgesamt ist der Lexikoneintrag trotz kleinerer Schludrigkeiten erfreulich gelungen, ausführlicher als vergleichbare Werke und sogar mit zwei Lurchi-Illustrationen aus der Feder von Heinz Schubel bebildert. Besonders ist das Lexikon auch deshalb, weil es Lurchi in den Titel erhebt und damit seine besondere Bedeutung unter der Schar der Werbefiguren hervorhebt. Mit Einverständnis von Salamander ziert daher auch eine Schubel-Lurchi-Zeichnung den Einband, nämlich Lurchi, der in einem Lurchiheft liest; ein Bild aus dem Abenteuer an der Wassermühle. Das Buchcover findet sich in der Erstausgabe des Hardcovers im Argon-Verlag im Jahr 2000 auf dem Schutzumschlag. Die Lizenzausgabe, die 2001 im Fischer Verlag erschien, zeigt keine Zeichnung auf dem Einband, ab der 2. Auflage im Fischer Verlag im Jahr 2002 wird auch dort das Lurchi Visual verwendet.

Erfreulich ist, dass Hars verschiedene weitere Lurchiquellen nennt, die er womöglich beim Erstellen des Lexikonartikels berücksichtigt hat. Dies sind das parodistische „Lurchi-Lexikon“ im Satiremagazin Titanic, der Ausstellungskatalog zur Ausstellung „Dem Feuersalamander auf der Spur“ und die Möglichkeit, Lurchi über die Website von Salamander auch im Internet zu besuchen. Leider werden die Fundstellen nicht ausreichend spezifiziert, so dass Nicht-Lurchikenner diese Quellen gar nicht finden können. „Lurchi, Klementine & Co“ sollte in jedem Fall in keiner Lurchi-Sammlung fehlen.


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Das Lexikon beinhaltet außerdem Einträge zu Mecki, dem Ikea-Elch, dem Nescafé-Cappuccino-Mann, dem Bärenmarke-Bär, dem HB-Männchen, Uncle Ben, dem Weißen Riesen und vielen anderen Werbefiguren. Sogar Herr Unrentabel, der Nachkriegs-Nachfolger von Kohlenklau, wird vorgestellt. Die Rezeption des Lexikons war unter Lesern nahezu durchweg positiv. Kritische Töne kamen aus einer Buchrezension von Burkhard Strassmann in „Die Zeit“, der ein wenig enttäuscht einräumte, dass das Buch „flockig formuliert“ und nur eine Aneinanderreihung von „117 Infotainment-Häppchen“ sei, ohne auf die Sozial- oder Kulturgeschichte der Werbung einzugehen. Genau diese Unbefangenheit und Lockerheit scheint aber das Nostalgie-Empfinden vieler Leser zu treffen und so kann man über die flockige Schreibweise durchaus hinwegsehen. Neben kleineren Fehlern und Ungenauigkeiten, enthält der Lexikoneintrag zu Lurchi allerdings auch unzeitgemäße Gender-Stereotypen. In Hars‘ Schilderung einer Szene im Schuhgeschäft ist es ausgerechnet „die Mama“, die neue Schuhe kauft, während die Kinder mit dem aktuellen Lurchiheft belohnt werden. Das kann durchaus mit der empfundenen Lebensrealität übereinstimmen. Man könnte aber genauso gut den Vater, die Eltern, Erziehungsberechtigten oder die Familie Schuhe kaufen lassen. Auch dieser Faux-Pas ist verzeihlich. Für 12,99 Euro ist es als Hardcover, für 9,90 Euro als Taschenbuch im Handel erhältlich gewesen. Sammlerpreise liegen bei etwa 5-7 Euro inkl. Versand. Komplettsets mit allen drei Auflagen des Buches bringen es auf 45 bis 50 Euro im Komplettsatz.

Wolfgang Hars

Wolfgang Hars ist ein deutscher Autor und Redakteur, der 1961 in Hamburg geboren wurde. Nach seinem Schulabschluss studierte er Marketing-Kommunikation und arbeitete später lange in diesem Bereich, bevor er sich mit dem Schreiben humorvoller und unterhaltsamer Bücher einen Namen machte. Nach seiner Station in München lebt Hars derzeit in Frankfurt am Main und hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht. Seine Werke sind in verschiedenen Genres angesiedelt, darunter Satire, Humor und Sachbücher. Zu seinen veröffentlichten Werken gehören „Männer wollen nur das Eine und Frauen reden sowieso zuviel“, eine humorvolle Betrachtung der Geschlechterunterschiede, die auf unterhaltsame Weise Stereotypen und Vorurteile aufdeckt. „Lurchi, Klementine & Co.“ ist eine Sammlung von kurzen Geschichten und Anekdoten, die in der Welt der Werbung und des Marketings spielen. Weitere Bücher von Wolfgang Hars sind „Schicken ist fön“, „Nullkommafünfzunull“, „Warum hungrige Männer auf mollige Frauen stehen“ und „Lexikon des verrückten Weltalls“. Hars zeigt sich dabei immer wieder als Autor, der es versteht, komplexe Themen auf humorvolle und unterhaltsame Weise zu vermitteln. Dabei greift er auf seine Erfahrungen aus dem Bereich Marketing und Kommunikation und auf seine Beobachtungsgabe zwischenmenschlicher Aspekte zurück und verbindet diese mit einem feinen Gespür für Sprache und Wortwitz.


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Quellen und weiterführende Literatur

  • Wolfgang Hars: „Lurchi, Klementine & Co: Unsere Reklamehelden und ihre Geschichte“ (2000), Argon Verlag (Berlin), 295 Seiten, hier S. 187-190
  • Wolfgang Hars: „Lurchi, Klementine & Co: Unsere Reklamehelden und ihre Geschichte“ (2000), Fischer Taschenbuch (Berlin), 295 Seiten, hier S. 187-190
  • Wolfgang Hars: „Lurchi, Klementine & Co: Unsere Reklamehelden und ihre Geschichte“ (2. Auflage 2002), Fischer Taschenbuch (Berlin), 295 Seiten, hier S. 187-190
  • Burkhart Strassmann, in: „Die Zeit“ vom 07.12.2000, zitiert nach „Wolfgang Hars – Lurchi, Klementine und Co.“, in: „Perlentaucher: Das Kulturmagazin“, Online-Artikel, abgerufen am 05.03.2023

Lange schallt’s im Walde noch:
Salamander lebe hoch!


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© Alle Abbildungen sind, soweit nicht anders gekennzeichnet, eigene Fotografien. Das Urheberrecht an der Gestaltung der abgebildeten Objekte liegt bei ihren jeweiligen Illustrator:innen und Produktgestalter:innen, die nach Möglichkeit und bester Kenntnis genannt werden. „Salamander“ und „Lurchi“ sind lange eingetragene Warenzeichen der Salamander AG und Salamander GmbH gewesen. Das Copyright der Illustrationen liegt bei Salamander, bzw. hinsichtlich der Lurchi-Bücher beim Esslinger Verlag. Lurchi ist seit 2023 eine Marke von Supremo. 

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